Auf die Kritik unserer Fraktion am Bauvorhaben Saalegarten im Böllberger Weg reagierte der Baubeigeordnete René Rebenstorf mit dem ausweichenden Hinweis, dass dem Stadtrat die Planungsziele zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses bekannt gewesen seien.
„Dies können wir so nicht unkommentiert stehen lassen, denn genau da setzt unsere Kritik an“, betont Tom Wolter, Fraktionsvorsitzender. „Aus unserer Sicht wurden dem Stadtrat die Planungsziele nicht vollumfänglich und transparent dargelegt. Besonders deutlich wird dies an folgendem Beispiel: Die Stadtverwaltung strebt für das Plangebiet am Saaleufer einerseits die Ansiedlung eines Vollsortiment-Supermarkts mit 1.900 Quadratmetern, andererseits die Ausweisung eines ‚Urbanen Gebiets‘ an. Diese beiden Planungsziele schließen sich jedoch laut Baurecht gegenseitig aus, da großflächiger Einzelhandel mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche in einem Urbanen Gebiet nicht zulässig ist. In der Beschlussvorlage selbst wurde diese Problematik nicht thematisiert, geschweige denn eine Auflösung dieses rechtlichen Widerspruchs dargelegt. In der Projektpräsentation des Architekturbüros wiederum findet man sogar die Aussage, dass die angestrebte Nutzungsmischung ganz im Sinne eines Urbanen Gebiets sei. Offensichtlich wollte und will man hier nicht alle Karten auf den Tisch legen. Auch aus diesem Grund halten wir die Ausweisung eines Urbanen Gebiets für rechtlich fragwürdig und sehen die Notwendigkeit, dass der Stadtrat sich erneut zu diesem Projekt positioniert.“
Ein weiterer Kritikpunkt unserer Fraktion ist, dass weder die Lage des Plangebiets noch der hallesche Wohnungsmarkt die Ausweisung eines Urbanen Gebiets rechtfertigen. Damit besteht die Gefahr, dass der fertige Bebauungsplan später rechtlich angreifbar sein könnte. Unserer Auffassung nach handelt es sich bei dem Plangebiet nicht um eine innerstädtische Lage im Sinne dessen, wofür der Gebietstyp „Urbanes Gebiet“ konzipiert wurde. Vielmehr entspricht die Lage am Saaleufer – mit der dahinterliegenden Saaleaue – eher einer Stadtrandlage.
Darüber hinaus hinterfragt Stadträtin Yvonne Winkler, ob in Halle überhaupt ein Bedarf für zusätzliche Geschosswohnungen in diesem Umfang besteht. Immerhin waren im Projekt „Saalegarten“ ursprünglich gut 30.000 Quadratmeter Wohnfläche geplant. Die kürzlich vorgelegte Wohnbauflächenbedarfsermittlung für die Halle (Saale) spricht eine andere Sprache: Im Mehrfamilienhaussegment wurde für den Zeitraum von heute bis 2040 einen Zusatzbedarf von rund 2.300 qualitativ hochwertigen Wohnungen ermittelt. Dem gegenüber stehen 4.350 Wohnungen, die entweder bereits gebaut werden oder in absehbarer Zeit Baurecht erhalten. Dies bildet den Stand im November 2020 ab, entsprechend sind die Saalegarten-Wohnungen in dieser Rechnung noch nicht enthalten. Aktuell sind allein am Saaleufer im Süden der Stadt mindestens 600 Wohnungen im Bau. „Bei einem voraussichtlichen Überhang von gut 2.000 Wohnungen im hochwertigen Segment in Halle stellt sich uns schon die Frage, ob es legitim ist – mittels der Ausweisung eines Urbanen Gebiets – am Saaleufer noch höher und massiver zu bauen, als dies an dieser Stelle eigentlich möglich wäre. Leider erhält man so den Eindruck, dass die Stadtentwicklung in Halle stark investorengetrieben ist. Wir fordernd Herrn Rebenstorf auf, die Stadtentwicklung stärker strategisch auszurichten. Die notwendigen Konzepte liegen vor. Auch der Stadtrat muss seiner Verantwortung für eine nachhaltige und integrierte Entwicklung unserer Stadt gerecht werden“, erläutert Winkler.
Lesen Sie auch unsere erste Pressemitteilung zu diesem Thema sowie den entsprechenden Amtsblattartikel.
Update
Nach langen, intensiven Diskussionen wurde im Juni 2023 ein aus unserer Sicht deutlich verbesserter Bebauungsplan für das Areal beschlossen. Einen Überblick über die Änderungen finden Sie bei der MZ.